Herausforderung Leerstand: Was können Städte tun?
Galeria Karstadt Kaufhof, Gerry Weber, Vapiano, Esprit – das Dauerthema Leerstand in den deutschen Innenstädten ist nicht nur auf das Verschwinden einzelner Unternehmen zurückzuführen, sondern auch auf strukturelle Veränderungen im Einzelhandelsumfeld und wirtschaftliche Trends. Anders gesagt: Leerstand ist oft das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels verschiedener Faktoren.
Das Problem: Leerstehende Großimmobilien können zu wahren Stolpersteinen für die Stadtentwicklung werden. Sie prägen das Stadtbild und Umfeld negativ, ziehen unerwünschte Aktivitäten an und bremsen oft die (wirtschaftliche) Entwicklung einer Innenstadt. Doch es gibt Lösungen, die den Leerstand in Chancen verwandeln.
Dabei verdient es Anerkennung, wenn Städte sich der Herausforderung stellen, leerstehende Immobilien einer neuen Bestimmung zuzuführen – sei es durch unterstützende Maßnahmen oder durch aktive Nutzung als Mieterin. Die Revitalisierung von Großimmobilien ist eine komplexe Herausforderung, die sowohl Fachwissen als auch kreative Lösungsansätze erfordert.
Kurzfassung:
Sophie May erkundet, wie Städte schnell und zielgerichtet Lösungsansätze bei leerstehenden Großimmobilien finden. Und wie Großimmobilien durch kreative Nach- und Zwischennutzung zu Treibern für nachhaltige Stadtentwicklung werden. Erfahrungen aus der Entwicklung von (Nach-)Nutzungskonzepten für Immobilien in Städten wie Hamburg, Reutlingen und Schwerte.
Aktiv werden als Stadt: 4 Strategien zum Umgang mit Leerstand von Großimmobilien
Plötzliche Meinungsänderungen und wechselnde Prioritäten: Tipps zum Umgang mit der Eigentümerseite
Die Revitalisierung von Großimmobilien ist ein komplexer Prozess, der oft von unvorhergesehenen Hindernissen überschattet wird. Eines der größten Risiken besteht darin, dass Eigentümer:innen plötzlich ihre Meinung ändern und damit Projektideen gefährden. Ein sorgfältig ausgearbeitetes Konzept kann in einem Augenblick zunichte gemacht werden, wenn die Prioritäten von Eigentümer:innen sich verschieben oder neue Herausforderungen auftauchen.
Um diesem Risiko zu begegnen, ist eine offene und kontinuierliche Kommunikation mit den Eigentümer:innen von entscheidender Bedeutung. Ein tiefes Verständnis für ihre Ziele und Bedenken ermöglicht es, mögliche Probleme frühzeitig zu identifizieren und gemeinsam Lösungen zu finden. Flexibilität und Anpassungsfähigkeit sind unerlässlich, um auf plötzliche Veränderungen reagieren zu können. Ohne dabei das Gesamtziel aus den Augen zu verlieren.
Lokale Nutzer:innen im Fokus: Die Kraft der Gemeinschaft
Eine der wichtigsten Lehren aus der Revitalisierung von Großimmobilien ist es, auf lokale Nutzer:innen und ihre Ideen zu setzen. Oft sind es gerade die individuellen Bedürfnisse und Wünsche der Stadtgesellschaft vor Ort, die eine Immobilie am besten mit Leben füllen. Ob es sich um kreative Unternehmen, soziale Initiativen oder kulturelle Veranstaltungen handelt – die Stimmen und Ideen der Menschen vor Ort sind unverzichtbar für den Erfolg bei der Revitalisierung einer Immobilie. Weiterer Vorteil: Beteiligung und Co-Creation verteilen den Konzeptions- und Koordinierungsaufwand auf mehrere Schultern.
Durch gezielte Einbindung der lokalen Stadtgesellschaft können wertvolle Partnerschaften entstehen, die das Projekt stärken und langfristig erfolgreich machen. Ein offener Dialog und die Bereitschaft, auf Feedback einzugehen, schaffen Vertrauen und fördern ein Gefühl der Verbundenheit mit der Immobilie und ihrer neuen Nutzung.
Koordination: Das Können des Jonglierens
Bei der Revitalisierung von Großimmobilien entsteht: ein immenser Koordinationsaufwand. Von der Planung und Genehmigung bis zur Umsetzung und Vermarktung erfordert jeder Schritt sorgfältige – aber auch pragmatische – Planung. Denn weder die Prüfung aller baulich möglichen Nutzungen in einer Machbarkeitsstudie noch „Wolkenschlösser“ voller visionärer Ideen bringen eine Stadt in dieser Frage allein weiter.
Im Vordergrund steht, die unterschiedlichen Interessen und Anforderungen in einem realistischen und ganzheitlichen Ansatz unter einen Hut zu bringen. Wichtige Kriterien sind dabei,
- die Bedarfe der Stadtgesellschaft,
- die Machbarkeit im Rahmen der vorhandenen und zu akquirierenden Ressourcen sowie
- eine langfristige Lebensfähigkeit des entwickelten Konzepts.
Eine effektive Projektsteuerung und ein starkes Team sind entscheidend, um den Überblick zu behalten und sicherzustellen, dass alle beteiligten Parteien auf Kurs bleiben. Wichtige Zutaten, um Hindernisse zu überwinden und das Projekt auch bei „hohem Wellengang“ erfolgreich voranzutreiben, sind:
- klare Kommunikationswege
- regelmäßige Besprechungen
- strukturiertes Projektmanagement
Marketing und Öffentlichkeitsarbeit: Die Kunst der Inszenierung
Last but not least sind das Marketing und die Öffentlichkeitsarbeit ein entscheidender Faktor für den Erfolg einer revitalisierten Großimmobilie. Gerade Mischnutzungen und vielfältigere Konzepte, die oft neu und ungewohnt sind, benötigen eine gezielte und kreative Strategie zur Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation, um Kund:innen und Besucher:innen anzulocken und zu überzeugen.
Durch eine gelungene Inszenierung und gezielte Werbemaßnahmen können die einzigartigen Qualitäten und Angebote der Immobilie herausgestellt werden. Von Social-Media-Kampagnen über Veranstaltungen bis hin zu Kooperationen mit lokalen Medien – die Möglichkeiten sind vielfältig und erfordern eine sorgfältige Abstimmung mit den gewünschten Zielgruppen.
Leerstand als Chance? Das macht mir Hoffnung
Als Beraterin für Architektur und Stadtentwicklung bei der Stadtmanufaktur GmbH habe ich in Städten wie Hamburg und Reutlingen erlebt, dass Leerstand keine unüberwindbare Hürde darstellen muss, sondern eine Chance für kreative Transformationen bietet. Eine erfolgreiche Nachnutzung braucht einen Mix aus Kreativität, Flexibilität und Durchhaltevermögen, breites Fachwissen verschiedener Disziplinen – und eine gehörige Portion Entschlossenheit und Innovationsgeist.
„Erfolgreiche Nachnutzung braucht einen Mix aus Kreativität, Flexibilität, Durchhaltevermögen, Fachwissen – und eine gehörige Portion Entschlossenheit und Innovationsgeist.“
Mit einem ganzheitlichen Ansatz und einem starken Engagement für und aus der lokalen Stadtgesellschaft können verwaiste Immobilien zu lebendigen Zentren der Aktivität und Begegnung werden, welche die Innenstadt(-entwicklung) nachhaltig prägen und bereichern.
Sophie May
ist Projektleiterin bei der Stadtmanufaktur mit Fokus auf Architektur und Stadtentwicklung. Ihre Lieblingsstadt? Natürlich Hamburg