INHALT
Stadtgesundheit birgt große Chancen für die Zukunftskraft unserer Städte
In einer sich rasant verändernden Welt hat Gesundheit als gesellschaftlicher Megatrend Einzug in die Stadtentwicklung gehalten. Gesundheit ist heute nicht nur das Gegenteil von Krankheit, sondern ein umfassendes Konzept, das sich auf Wohlbefinden, Lebensqualität und soziale Teilhabe stützt. Dies eröffnet Städteplaner:innen und Stadtentscheider:innen das Potenzial, Gesundheitsstrategien als langfristige Standortfaktoren zu nutzen.
Meine These: Im Wettbewerb der Städte um Zukunft und Zuzug kann Stadtgesundheit sogar zum ausschlaggebenden Faktor im Standortmarketing werden. Nicht nur für Großstädte bietet urbane Gesundheitsförderung riesige Chancen, sondern auch Klein- und Mittelstädte profitieren von Strategien rund um Stadtgesundheit.
Doch was versteht man überhaupt unter „Stadtgesundheit“ bzw. „Urban Health“? Und was können Stadtakteur:innen tun, um ihre eigene Stadt mit diesem Thema zu profilieren? – Ich gebe Ihnen einen Überblick zu „Zukunft gesunde Stadt“. Außerdem zeige ich Ihnen am Beispiel der Kleinstadt Bad Sobernheim (Rheinland-Pfalz), wie eine konsequente Positionierung rund um Urban Health gelingt und wie die Stadtgesellschaft davon profitiert.
Kurzfassung:
Isabell Köster beschreibt am Beispiel von Bad Sobernheim wie Städte Stadtgesundheit (Urban Health) als Standortfaktor sicht- und erlebbar machen können. Dazu stellt sie verschiedene Aspekte sowie Beispiele von Stadtgesundheit vor und skizziert den Positionierungsprozess als gesunde Stadt.
Stadtgesundheit: Begriff und Bedeutung
Definition von Stadtgesundheit
Stadtgesundheit bzw. Urban Health umfasst eine Fülle von Maßnahmen und Strukturen, die eine Stadt zu einem gesunden, sicheren und lebenswerten Ort für Menschen machen. Dazu gehören saubere Luft, Zugang zu Gesundheitsdiensten, Grünflächen, nachhaltige Mobilität, soziale Teilhabe und eine umweltfreundliche Stadtplanung. Ziel ist es, gesunde Lebensbedingungen (körperlich, mental und sozial) für alle Stadtbewohner zu schaffen und langfristig zu erhalten.
Zentrale Aspekte von Stadtgesundheit
- Urbaner Gesundheitsschutz: Maßnahmen zur Luftreinhaltung, Lärmschutz und Begrünung, die die Lebensqualität im urbanen Raum fördern.
- Urbane Gesundheitsförderung: Bewegung im Alltag, gesunde Ernährung und weitere Prophylaxemaßnahmen
- Psychosoziale Gesundheit: Der Aufbau sozialer Infrastrukturen und Begegnungsorte, die den Austausch und den Zusammenhalt stärken.
- Klimaanpassung: Umweltfreundliche Mobilität, grüne Dächer und Wassermanagement als Maßnahmen, um die Folgen des Klimawandels abzufedern und die städtische Lebensqualität zu erhöhen.
„Gesundheit ist ein Megatrend – nicht nur für den Einzelnen, sondern auch für Städte. Der Begriff „Stadtgesundheit“ bringt diese neue Denkweise auf den Punkt und bietet Städten die Möglichkeit, sich als gesunden, attraktiven Lebensraum zu positionieren.“
Bedeutung von Stadtgesundheit
Dass Stadtgesundheit immer wichtiger wird, ist auf globale Entwicklungen zurückzuführen, die auch den Megatrend Gesundheit treiben: In einer immer dichter besiedelten Welt mit alternden Gesellschaften wird „Stadt“ bestenfalls zu einem Lebensraum, der nicht nur wohngesund, sondern auch bewegungsfreundlich, umweltschonend und gemeinschaftsfördernd gestaltet ist.
Aus Sicht von Stadtentwicklung und Stadtvermarktung bedeutet das: Städte können mit einer durchdachten Gesundheitsstrategie als nachhaltige und zukunftsfähige Standorte glänzen – und sich von anderen Städten abgrenzen.
Diese globalen Trends machen Stadtgesundheit immer wichtiger
- Demografischer Wandel: Die Bevölkerung wird älter, damit steigen die Anforderungen an altersgerechte und barrierefreie Städte.
- Umwelt und Gesundheit: Städte sind besonders von den Folgen des Klimawandels betroffen. Hitzeinseln, Luftverschmutzung und extremwetterbedingte Risiken verlangen nach Anpassungsmaßnahmen, die auch die Gesundheit der Bevölkerung fördern.
- Soziale Ungleichheiten: Gesundheit ist oft ungleich verteilt, und städtische Strategien können hier für Chancengleichheit sorgen, indem sie öffentliche Gesundheitsangebote und Infrastrukturen auch in sozial benachteiligten Stadtteilen stärken.
Gesunde Stadt: Diese Beispiele zeigen, wie es geht
Wie durchdachte Gesundheitskonzepte die Lebensqualität verbessern und zugleich das Stadtimage stärken können, zeigen zahlreiche internationale Städte auf sehr unterschiedliche Art und Weise:
- Kopenhagen setzt besonders auf nachhaltige Mobilität und ist international für seine Fahrradfreundlichkeit bekannt.
- Wien gilt als Modellstadt für die Gesundheitsförderung. Geförderte Projekte, wie Gemeinschaftsgärten, Urban Gardening und Grünflächen in städtischen Wohnvierteln fördern die Stadtgesundheit und den sozialen Zusammenhalt der Bürger:innen. Wien hat sich zum Ziel gesetzt, eine Gesundheitsmetropole zu werden (Strategie WIEN 2030).
- Bogotá hat mit „Ciclovía“ ein wöchentliches Happening etabliert, das zum weltweiten Vorbild wurde: Jeden Sonntag werden in der Hauptstadt Kolumbiens 120 km Straßen für den Autoverkehr gesperrt und gehören stattdessen Fußgängern, Radfahrern und Skatern.
- Hamburg motiviert seine Bewohner:innen mit der Kampagne „Active City“ zu Fitness und Bewegung.
- Heilbronn ist Finalistin des European Green Capital Award 2026 und bewarb sich mit mehreren Fokusprojekten als Grüne Hauptstadt Europas. (Gewinner: Valencia (2024), Vilnius (2025), Guimarães (2026).)
- Zahlreiche Kurstädte setzen auf Gesundheitstourismus und positionieren sich je nach Ausrichtung als Luftkurort, heilklimatischer Kurort, See- oder Heilbad.
Typisches Beispiel für Stadtgesundheit: Kopenhagen – bekannt für seine starke Fahrrad-Infrastruktur und einem der ersten Fahrrad-Highways weltweit (eröffnet: 2012) © Tindra Ekholm, Unsplash
Beispiele zu Stadtgesundheit:
Mit konsequentem Gestaltungswillen, gezielten Maßnahmen und langem Atem können Städte einen messbaren und erlebbaren Unterschied in Sachen Lebensqualität und Stadtidentität bewirken.
Eine Strategie zur Stadtgesundheit überzeugt besonders dann, wenn sie nicht am Schreibtisch ersonnen, sondern in der DNA der Stadt verankert und gemeinsam mit den Bürger:innen entwickelt wird. Genau das ist in Bad Sobernheim der Fall.
Bad Sobernheim positioniert sich als gesunde Stadt
FeelGoodDay: Ein Megatrend wird lebendig
Es ist Sonntag, der 15.9.2024. In Bad Sobernheim sind alle früh auf den Beinen, es werden letzte Vorbereitungen für ein ganz besonderes Event getroffen: Unter dem Motto „FeelGoodDay – Gesundheit, Familie, Fitness & Genuss“ findet der erste Gesundheitstag in Bad Sobernheim statt. Das Team von Anke Wiechert, Ully Mathias und Tatjana Miesem hat ein Programm auf die Beine gestellt, das seinesgleichen sucht. Beteiligt sind daran auch 24 regionale Vereine, Firmen und Gesundheitsanbieter.
Der erste FeelGoodDay in Bad Sobernheim bietet u. a.:
- Gesundheits-Checks,
- eine Familien-Rallye,
- Vorträge, wie von Speaker und Sportökonom Dr. Oliver Schumann,
- Barfußpfad-Touren sowie
- zahlreiche Sportangebote.
FeelGoodDay Bad Sobernheim: Eine ganze Stadt auf den Beinen – für mehr Stadtgesundheit
Außerdem bietet die Stadt Informationsstände, Mitmach-Aktionen und Beratungsangebote zu den Themen Gesundheit, Wellness, Fitness und Genuss. Neben den Sehtests, Hörtests und Körperanalysen gibt es auch Mikronährstoffberatungen, Blutzuckermessungen und Bewegungsangebote wie Yoga und Zumba. Lokale Anbieter präsentieren gesunde Köstlichkeiten.
Um vom Rathausplatz zu einem der Parks zu gelangen, kann man sich (mit Glück, denn die Anzahl ist begrenzt) auf eines der von Westenergie gesponserten E-Bikes schwingen oder sich von Bürgermeister Roland Ruegenberg höchstpersönlich mit einer Fahrradrikscha shutteln lassen. Am Tag darauf berichtet die Rhein-Zeitung über eine „rundum gelungene und bis ins Detail geplante Erfolgsstory“.
„Die Verbindung von aktiver Bewegung, Entspannung und inspirierendem Ambiente hat Bad Sobernheim als idealen Gastgeber bestätigt. Unsere Stadt wurde zur Bühne für einen Tag voller Energie, Lebensfreude und gemeinsamer Erlebnisse, der noch lange in Erinnerung bleiben wird.“
Ganzheitliche Gesundheit gehört zur DNA der Stadt Bad Sobernheim
Bad Sobernheim ist die kleinste Stadt, die mit Unterstützung der Stadtmanufaktur seit 2019 einen Profilierungsprozess betreibt (gefördert durch das ZIZ-Programm der Bundesregierung). Partizipation wird in der 6.500-Einwohner-Stadt dabei großgeschrieben: Von Anfang an werden städtische Mitarbeiter:innen aus Kita, Schule und Bauhof ebenso konsequent eingebunden wie Stakeholder und Akteursgruppen.
Die drei Stärkenfelder der Stadt Bad Sobernheim
Sehr eindeutig lassen sich im Laufe des Positionierungsprozesses drei Bereiche ausmachen, in denen die Stadt besonders viel zu bieten hat:
- Bad Sobernheim bietet ein schönes Naturerlebnis im Herzen des Nahelandes.
- Bad Sobernheim bietet ein einzigartiges Gesundheits- und Wellness-Angebot.
- Bad Sobernheim bietet Genuss und Kultur im historischen Ambiente.
Der Gesundheitsaspekt fließt übergreifend in alle drei Segmente, Prävention und Naturheilkunde stehen dabei im Fokus. Dazu erläutert Anke Wiechert, Direktorin des Heimatmuseums und Mitinitiatorin:
„Im Positionierungsprozess und der damit verbundenen Stärkung der Stadtmarke ‚Bad Sobernheim – DIE Felkestadt‘ im Bereich Gesundheit spielte der Rückgriff auf die Heilmethoden von Emanuel Felke (1856–1926) und seiner 1915 bei uns eingeführten Felke-Kur eine zentrale Rolle. Der sogenannte ‚Lehmpastor‘ hat mit seiner Idee vom einfachen, naturnahen Leben, seinem ganzheitlichen Ansatz und den gängigen Naturheilverfahren seiner Zeit das Fundament für die Gesundheitsausrichtung unserer Stadt gelegt.“
Workshop zu den Stärkenfeldern: Bad Sobernheim punktet mit Gesundheit und Wellness
© Katrin Ramlow
Andere Gesundheitsexperten wurden durch den umtriebigen Pfarrer angezogen. So entwickelte Katharina Schroth in Bad Sobernheim ihre skoliosespezifische Physiotherapie für die die ortsansässige Asklepios-Klinik mittlerweile international bekannt ist. Und Emil Hevert gründete sein Unternehmen Hevert-Arzneimittel, nachdem er sich mit den Methoden und Heilmitteln von Felke befasst hatte. Gesundheits- und Wellnessressorts wie das Menschels Vitalresort, das Hotel Maasberg Therme oder das BollAnts berufen sich ebenfalls auf Felkes Heilerde-Therapien und „Medical Wellness“.
Strategien zur Stadtgesundheit: Erfolge feiern, Entwicklung wagen
Dass der erste FeelGoodDay in Bad Sobernheim als Erfolg gefeiert werden kann, ist im Hinblick auf die geradezu gesundheitsgetränkte DNA der Stadt kein Zufall – aber auch kein Selbstgänger oder Garant für die Zukunft. Es braucht schon Strukturen, Mittel, Ideen, Netzwerke und den Willen zur Weiterentwicklung, um eine passgenaue, zukunftsfähige Strategie sowie Maßnahmen für die Zukunft als gesunde Stadt zu entwickeln.
In Bad Sobernheim war von Anfang an klar, dass die Stadt ein Event dieser Größenordnung nicht allein mit ihren begrenzten personellen Ressourcen würde stemmen können. Nur die Einbindung der verschiedenen Expert:innen und vieler engagierter Bürger:innen machte den FeelGoodDay 2024 möglich. Mit Abschluss des ZIZ-Förderprogramms im Sommer 2025 stehen weniger finanzielle Mittel zur Verfügung, dann sind Stadt und Stadtgesellschaft noch mehr gefragt.
Aktionen wie der FeelGoodDay brauchen ein engagiertes Team – und viele Partner © Katrin Ramlow
7 Tipps zur Positionierung als gesunde Stadt
Bad Sobernheim hat sie also: die Strategie und die Historie zur Stadtgesundheit. Aber es sind alle Städte in Deutschland (und darüber hinaus) gefragt, sich mit dem Megatrend Gesundheit auseinanderzusetzen. Und sich zu fragen: Wie bringen wir Urban Health in unsere Stadt? Hier kommen einige Tipps zur Positionierung als gesunde Stadt – mit viel Erfahrung aus unseren Projekten.
Von der DNA zur Positionierung: Isabell Köster und Thorsten Kausch (Stadtmanufaktur GmbH) beim Strategie-Workshop in Bad Sobernheim © Katrin Ramlow
Fazit: Eine gesunde Stadt ist eine Stadt mit Zukunft
Vorreiter-Städte wie Wien, Kopenhagen oder Hamburg beweisen schon jetzt: Das Potenzial von Stadtgesundheit bzw. Urban Health ist groß – und die Bedeutung wird aufgrund von globalen Entwicklungen weiter steigen.
„Die Stadt der Zukunft denkt Gesundheit ganzheitlich. Gesunde Städte entstehen dort, wo Menschen sich bewegen, vernetzen und durchatmen können.“
Eine Strategie sowie Maßnahmen mit langfristigem Erfolg benötigen großes Engagement und viel Gestaltungswillen quer durch die Stadt. Das gilt vor alle für kleine und mittlere Städte wie Bad Sobernheim. Doch der Erfolg gibt der Stadt und ihrem Fokus auf Stadtgesundheit recht: Laut einer Umfrage würden die Bad Sobernheimer schon 2025 wieder einen FeelGoodDay veranstalten.
Wir wünschen Bad Sobernheim einen langen Atem – und allen anderen Städten viel Inspiration und aktivierende Ideen für ihren ganz eigenen Weg zur gesunden Stadt der Zukunft.
Isabell Köster
ist als Projektleiterin spezialisiert auf strategische Narrative und Kulturwirtschaft. Zum Ausgleich schwimmt Isabell – am liebsten draußen