INHALT

Brand Urbanism als kreativer Ansatz für attraktive Innenstädte
Der Strukturwandel der Innenstädte und angespannte Haushaltslagen prägen die Arbeit in Stadtentwicklung und Stadtmarketing. Während Förderprogramme perspektivisch auslaufen, bleiben kreative Ansätze gefragt, um urbane Räume attraktiv zu gestalten.
Einige Städte sind dem Ziel, ihre Zentren in „Erlebnisräume“ zu verwandeln, nähergekommen. Viele Kommunen kämpfen jedoch weiterhin mit den hohen Erwartungen der Bürger:innen an eine attraktive und vielseitige Innenstadt. Städte können diese Anforderungen oft nicht allein bewältigen, Kooperationen mit verschiedenen Akteur:innen gelten als Schlüssel zum Erfolg. An diesem Punkt setzt das Konzept des Brand Urbanism an.
Kurzfassung:
Welche Rolle spielen Marken bei der Mitgestaltung öffentlicher Räume? Eine wachsende, sagt Sophie May, und zeigt das Potenzial von Brand Urbanism an einem Beispiel aus Wien. Der Trend bringt frischen Wind in die Stadtentwicklung.
Sophie May ist Projektleiterin bei der Stadtmanufaktur und promoviert an der HafenCity Universität Hamburg zur Rolle von Verbrauchermarken in der Stadtentwicklung und ihrer Beteiligung an der Bereitstellung öffentlicher Leistungen.
Der Text erschien erstmals im Fachmagazin Public Marketing (11–12 ’24) unter dem Titel „Marken als Gestalter öffentlicher Räume“. Für unseren Blog wurde er leicht editiert.
Stadt trifft Marke: Neue Kooperationsansätze
Eine bisher kaum beachtete Akteursgruppe in der Innenstadtentwicklung sind die Verbrauchermarken, welche zunehmend ein Interesse an der Mitgestaltung öffentlicher Räume zeigen. Geprägt hat sich für solche Initiativen und Projekte vor allem im internationalen Raum der Begriff des „Brand Urbanism“. Dabei handelt es sich nicht um klassische Werbung, sondern um Projekte, die funktionale und ästhetische Mehrwerte schaffen. Die Unternehmen bringen sich dabei nicht nur finanziell, sondern auch mit eigenen Gestaltungsideen in die Zusammenarbeit mit Städten ein.
Die Finanzierung von Brand-Urbanism-Projekten erfolgt meist über Sponsoring oder Co-Finanzierungsmodelle (Public-Private-Partnership / PPP-Modelle). Während die Kommune durch die Kooperation mit Marken finanzielle Entlastung erfährt, profitieren Unternehmen von der dauerhaften und subtilen Präsenz ihrer Marke sowie der positiven Wahrnehmung ihres gesellschaftlichen Engagements.
Definition: Brand Urbanism
Brand Urbanism bezeichnet die strategische Zusammenarbeit von Marken und Städten, bei der Unternehmen öffentliche Räume, Infrastrukturen oder urbane Projekte mitgestalten und finanzieren. Ziel von Brand Urbanism ist es, die Lebensqualität in der Stadt zu verbessern. Für Unternehmen bietet Brand Urbanism die Chance, sich gesellschaftlich zu engagieren und zugleich die Markenpräsenz im urbanen Umfeld zu erhöhen.
Brand Urbanism im Spannungsfeld zwischen Privatisierung und Partnerschaft
Was erstmal wie ein Widerspruch klingt – schließlich haben wir in Deutschland ein sehr kritisches Verhältnis zu Privatisierung, Kommerzialisierung und Werbung im öffentlichen Raum – entwickelt sich zunehmend zur wertvollen Partnerschaft:
Städte stehen vor der Herausforderung, ihre öffentlichen Räume noch attraktiver und funktionaler zu gestalten – oft mit nur begrenzten finanziellen und personellen Mitteln. Nicht wenige Stadtgestaltungs-Maßnahmen liegen im Bereich der „freiwilligen Leistungen“ und sind daher besonders gefährdet durch Einsparungen.
Gleichzeitig suchen Marken nach neuen Wegen, um authentisch mit Bürger:innen in Kontakt zu treten und zu interagieren. Auch sie sind betroffen von Kaufzurückhaltung, verändertem Konsumverhalten sowie immer kritischeren Kund:innen (Stichwort: Corporate Social Responsibility) und suchen nach neuen Möglichkeiten sich zu positionieren.
Chancen, Herausforderungen und Rahmenbedingungen von Brand Urbanism
Durch die Kooperation von Städten mit Verbrauchermarken entstehen oftmals innovative und kreative Lösungen, die nicht nur die Aufenthaltsqualität verbessern, sondern auch neue Nutzungsmöglichkeiten eröffnen. Spricht man mit Städten und Unternehmen, die ähnliche Initiativen schon umgesetzt haben, so heißt es ganz oft: Das war eines unserer erfolgreichsten Projekte.
Obwohl diese Art der Zusammenarbeit zwischen Städten und Marken zahlreiche Chancen bietet, stellt sie in der praktischen Umsetzung sehr spezifische Anforderungen und Bedingungen an alle Beteiligten. Denn der öffentliche Raum ist stark reguliert, die Planung solcher Projekte erfordert viele Abstimmungen und Genehmigungen von verschiedensten Parteien.
Für eine erfolgreiche Umsetzung braucht es deshalb klare Rahmenbedingungen, die sowohl rechtliche, wirtschaftliche als auch gestalterische Aspekte umfassen:
- transparente Regeln für die Präsenz von Marken,
- ein Fokus auf Gemeinwohlinteressen und
- eine enge Abstimmung zwischen Kommunen, Unternehmen und der Bevölkerung.
Bürokratische Hürden und Vorbehalte – etwa die Angst vor der Kommerzialisierung des öffentlichen Raums – müssen durch offene Kommunikation und partizipative Prozesse überwunden werden. Auch Fragen zu Pflege und Instandhaltung sind zu klären.
„Spricht man mit Städten und Unternehmen, die Brand-Urbanism-Initiativen umgesetzt haben, heißt es oft: Das war eines unserer erfolgreichsten Projekte.“
Balance zwischen Gestaltung, Gemeinwohl und Marketing
Wie und in welchem Umfang Marken im öffentlichen Raum auftreten dürfen, muss klar und transparent geregelt sein. Der Einfluss auf das Stadtbild muss genauso bedacht werden wie der Schutz des öffentlichen Raums unter Wahrung der Gemeinwohlinteressen. Denn gerade in unseren Innenstädten ist der Raum begrenzt und begehrt, die (unterbewusste) Beeinflussung von Bürger:innen über verschiedene analoge und digitale Kanäle nimmt zu.
Marken und Städte müssen gemeinsam sicherstellen, dass die Projekte ästhetisch und funktional einen Mehrwert bieten. Kritische Stimmen haben nicht Unrecht, wenn sie ihre Bedenken äußern. Als aktuelles Beispiel sei hier die Volksinitiative „Hamburg Werbefrei“ genannt, welche Außenwerbung im öffentlichen Raum stärker beschränken möchte.
Authentische und erfolgreiche Brand-Urbanism-Projekte zeigen aber meist keine großflächigen Logos, sondern gehen subtiler vor und setzen beispielsweise dezent die assoziierten Markenfarben ein. Das heißt aber auch:
Brand Urbanism als eine Form des Marketings können sich nur bereits am Markt etablierte, bekannte Marken und marktführende Unternehmen leisten.
Beispiel für Brand Urbanism: Vöslauer und die Aufwertung zweier Sportplätze in Wien
Ein gelungenes Beispiel für Brand Urbanism ist die Umgestaltung zweier öffentlicher Sportplätze in Wien durch den Mineralwasserhersteller Vöslauer. Initiiert und konzipiert wurde das Projekt durch das Unternehmen und seine Kreativagentur in Abstimmung mit den jeweiligen Bezirken. Mit UV-reflektierender Farbe wurden die Plätze nicht nur ästhetisch, sondern auch funktional aufgewertet, da die Temperatur an heißen Sommertagen deutlich gesenkt wird. Die subtil gebrandete Farbwahl orientiert sich am Corporate Design der Marke.


Vöslauer macht in Wien zwei Basketballplätze in Ottakring und der Donaustadt zu angesagten Treffpunkten für Sport und Begegnung. Neben der kreativen Gestaltung steht die Kühlung im Fokus: Die neu gestalteten Plätze sind nicht nur ein optisches Highlight mitten in der Stadt, sondern reduzieren auch die Hitze im Sommer © Kalojan Paier
Die Kosten wurden dabei vollständig vom Unternehmen getragen, mit dem Ziel dadurch zu Markenaufbau und -stärkung insbesondere bei einer jungen, urbanen Zielgruppe beizutragen. Gleichzeitig sollte ein Beitrag zur Klimaanpassung geleistet werden.
Dieses Beispiel unterstreicht den Mehrwert, den solche Projekte für Stadt, Unternehmen und Stadtgesellschaft bieten können:
- Städte und Bürger:innen profitieren von attraktiveren Nutzungsangeboten und einem aufgewerteten öffentlichen Raum,
- das Unternehmen von einem positiven Image und einer gesteigerten Akzeptanz und Kunden- sowie Markenbindung.

Bei #coolbleiben-Talks auf den neu gestalteten Basketballplätzen wurden Themen und Trends wie Brand Urbanism, die Auswirkungen des Klimawandels auf das Stadtleben in Wien sowie die nachhaltige Belebung innerstädtischer Viertel erörtert © Stefan Panfili
Zukunftspotenzial und Erfolgsfaktoren von Brand Urbanism
Das Beispiel aus Wien zeigt vor allem eins: Brand Urbanism bietet für Städte und Kommunen die Möglichkeit, den öffentlichen Raum mit einer neuen Ressourcenquelle – nicht nur finanziell, sondern auch mit neuer Kreativ- und Innovationskraft – zukunftsfähiger zu gestalten und gleichzeitig dem Wunsch der Bürger:innen nach mehr Aufenthaltsqualität und Erlebnisangeboten gerecht zu werden.
Aktuell werden solche Projekte primär von der privatwirtschaftlichen Seite, von Unternehmen und ihren Kreativagenturen, angestoßen. Sie entstehen meist durch persönliche Impulse und Offenheit von Leitungspersonen. Ein weiteres Argument dafür, diese Stakeholdergruppe im Rahmen der Stadtvermarktung noch stärker einzubinden.
Entscheidend für den Erfolg von Brand-Urbanism-Projekten sind Transparenz und ein verantwortungsvoller, partnerschaftlicher Dialog zwischen Marke, Kommune und Bevölkerung. Offene Kommunikation über die Mehrwerte und den Nutzen für Stadt und Bürger:innen fördert die Akzeptanz. Ein Schwarz-Weiß-Denken ist hier genauso unangebracht wie Pauschallösungen. Es gilt, die Vor- und Nachteile im Einzelfall abzuwägen und immer individuell zu beurteilen.
„Städte und Bürger:innen profitieren dank Brand Urbanism von attraktiveren Nutzungsangeboten und einem aufgewerteten öffentlichen Raum, das Unternehmen von einem positiven Image, einer gesteigerten Akzeptanz und Kunden- sowie Markenbindung.“

Yvonne Haider-Lenz, Leiterin Marketing, Unternehmenskommunikation und Innovation der Vöslauer Mineralwasser GmbH auf dem neu gestalteten Basketballplatz in Wien © Stefan Joham
Brand Urbanism als Perspektive für deutsche Städte
Brand Urbanism ist besonders für Metropolen und Großstädte interessant, da diese aus Marketingsicht für Unternehmen oft relevanter sind und durch eine junge und urbane Zielgruppe geprägt werden. Aber auch für Klein- und Mittelstädte liegen in Brand Urbanism Potenziale – denn auch dort gibt es gesellschaftlich engagierte Unternehmen.
Entscheidend ist, lokale Bedürfnisse und Möglichkeiten zu analysieren und kreative Kooperationen zu fördern. Städte sollten Diskussionen anstoßen und Rahmenbedingungen definieren, um Brand-Urbanism-Projekte auch in Deutschland zu ermöglichen.
„Brand Urbanism bietet für Städte und Kommunen die Möglichkeit, den öffentlichen Raum mit einer neuen Ressourcenquelle zukunftsfähiger zu gestalten.“
Bild-Credit: Stefan Joham, Kalojan Paier, Stefan Panfili
Sophie May
ist Projektleiterin bei der Stadtmanufaktur mit Fokus auf Architektur und Stadtentwicklung. Ihre Lieblingsstadt? Natürlich Hamburg